Nachdem mein alkoholkranker Kumpel aus Bergedorf nun bei mir eingezogen war, hatte ich endlich Ruhe vor dem Gejammer meiner Mutter. Dafür hatte ich jetzt jeden Tag das Gejammer von Carlos. Also bin ich viel draußen. Ist ja sowieso viel schöner. Wochenende war ich endlich mal wieder an der Alster und bei dem super Wetter am Sonnabend habe ich sie gleich zwei Mal umrundet. Ihr glaubt ja gar nicht, was und wen man da alles sehen und entdecken kann, miau.
Ich bin ein guter Beobachter, mir entgeht nichts. Und als ich so auf Höhe Bobby Reich bin und zum Restaurant hinunterblicke, seh ich doch ein kleines, kuschliges Wollknäul auf einer Mülltonne sitzen. Ich dachte meine Läuse spielen verrückt. Der sah ja aus wie ich, miau. Also bin gleich mal hingeschlichen und hab mir die kleine Miezekatze von Dichten angesehen. Tatsächlich. Unverwechselbar und ein Junge. Ich schlich mich weiter an das Wollknäul heran, doch da bemerkte er mich auch schon und zuckte zusammen. Dann fauchte der kleine Kerl wie ein Großer und ich dachte, mutig, Kleiner. Und dann sah ich es. Er hatte die gleiche Maserung am linken Auge wie ich. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, wurde ich von rechts angefaucht. Clara? Wow, die war ja noch schöner geworden. Ich ging vorsichtig auf sie zu und beruhigte sie. Dann erkannte sie mich und ich sah ihren traurigen Blick. Miau, was hatte sie denn? Ich stupste sie vorsichtig mit der Nase an. Das mochte sie damals gern. Miau, damals. Ja, das ist jetzt auch schon Monate her.
Nach und nach erfuhr ich dann, wie sich alles zugetragen hatte und warum wir uns aus den Augen verlieren konnten. Wir waren damals erst eine Woche ein Paar und streunten zusammen durch die Hamburger Innenstadt. Wo ich wohnte, wusste sie nicht. Ich sturer Kater! Warum muss ich daraus auch immer ein Geheimnis machen, miau. Egal, ist passiert. Auf jeden Fall hatten wir dann nach sieben Tagen kennenlernen eine tolle Nacht und ich war sehr stolz auf mich, dass ich eine Woche gewartet hatte, miau. Ich bin schließlich ein Kater und normalerweise geht bei mir der Trieb vor Katastrophe! Also zurück zu Clara. Die Nacht war der Hammer und ich wusste damals, die is es. Morgens habe ich mich aus der Behausung geschlichen, um uns ein leckeres Katzenfrühstück zu besorgen. Den frischen Fisch hatte ich schon im Gepäck, brauchte ich also nur noch Sahne. Ich wusste, dass Clara die so sehr mochte und was macht man nicht alles für seine Liebste. Darum bin ich noch zum nächsten Laden und dann gleich zurück zur Behausung. Ihr könnt euch den Schreck vorstellen, als ich vorm leeren Schuppen stand. Sie war weg. Einfach weg. Ich habe damals ganz Hamburg nach ihr abgesucht und es irgendwann aufgegeben. Seitdem poppe ich, was ich kriegen kann. Bin schließlich auch nur ein Kater, miau. Verlieben konnte ich mich nie wieder.
Ich konnte ja nicht wissen, was ich jetzt weiß. Clara hat auch nach mir gesucht und dachte ich bin nach dieser Nacht einfach abgehauen. Ich war schon ein wenig enttäuscht, dass sie das dachte. Naja, bei jeder anderen Katze hätte ich das wahrscheinlich auch gemacht, aber nicht bei ihr.
Auf jeden Fall ist sie bei ihrer Suche nach mir im Hafen gelandet und hat auch auf einigen Schiffen nach mir gesucht. Eines davon legte kurz darauf ab und Schluss war mit der Suche. Die Schiffsbesatzung hat sie aber sehr nett behandelt und als sie wieder in Hamburg ankam, war der kleine Racker schon auf der Welt. Seit einer Woche habe sie eine nette Unterkunft für sich und den Kleinen gesucht und erst gestern hier bei Bobby Reich gefunden.
Wir waren so glücklich, dass wir uns wiedergefunden hatten und ich konnten mein Vaterglück gar nicht fassen. Der Kleine tollte mit mir auf dem Rasen als wenn er das schon immer gemacht hätte, miau. Naja, ich hatte ja schließlich auch Erfahrung mit meinen Nachbarskindern.
Miau, Familie kann so wunderbar sein!