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Bestandsaufnahme – „ausgebrannt“

Bestandsaufnahme – ausgebrannt –

Ich saß mal wieder im Zug vor meinem aufgeklappten Laptop und überarbeitete eine Präsentation. Müdigkeit überkam mich und ich sehnte mich nach einer Mütze Schlaf. Lange schon wachte ich jede Nacht gegen drei Uhr auf und konnte nicht mehr einschlafen. Ich hatte mich schon so sehr daran gewöhnt, dass ich dann sogar am PC meine effektivste Zeit hatte. So war es auch in der vergangenen Nacht. Jetzt brauchte ich nur noch kleinere Korrekturen vornehmen. Wie automatisiert bewegte ich zügig den Mauszeiger über die letzte Seite. Fertig. Ich verstaute den Laptop, lehnte mich müde zurück und ließ meinen Blick durch die verschneite Landschaft gleiten.

„Haben Sie Schmerzen?“ Ich erschrak. Eine ältere Dame mit schwarzen Wollhut und roter Nase hatte sich zu mir gesellt. Ihre kleinen Augen lugten hüpfend unter der breiten Krempe hervor. „Wieso?“, fragte ich. „Aber junge Frau. Sie reiben ständig ihre Hand….“ Dann legte sie Ihre kleine, runzlige Hand auf meine. „…und Sie sehen so traurig aus, so tief traurig.“ Ich starrte Sie mit offenem Mund an und war sprachlos. Was hatte die ältere Dame da gerade gesagt? Mein Magen krampfte sich zusammen und ich hatte Mühe zu atmen. Tränen schossen mir in die Augen und ich fing unwillkürlich an zu weinen. „Aber junge Frau. Was ist denn mit Ihnen?“ Sie streichelte meine Hand und kramte zugleich in ihrer kleinen braunen Handtasche. Ein besticktes Stofftaschentuch kam zum Vorschein, dass sie mir flugs unter die Nase hielt. Erinnerungen an meine Großmutter kamen in mir hoch und ich musste noch heftiger weinen. „Aber was ist denn mit Ihnen?“ Ich zuckte mit den Schultern: „Ich weiß es nicht.“

Lange nachdem die nette, ältere Dame ausgestiegen war, saß ich noch wie erstarrt und blickte in die vorüberziehende weiße Welt. Ich massierte immer noch meine Hand und erst jetzt bemerkte ich die Schwellung. Erschrocken versuchte ich den Ehering abzuziehen. Keine Chance. Ruckartig zückte ich meine Handtasche und rannte Richtung WC. Da gibt es Seife, war mein rettender Gedanke. Und so war es auch. Nach langem Mühen hatte ich den Ring vom Finger, steckte ihn in die Tasche und ging wieder auf meinen Platz. Die Hand sah bedenklich aus. Daumen und Zeigefinger waren zu einer Bockwurst angeschwollen und der Druck wuchs jetzt ins Schmerzhafte. Jedoch im selben Augenblick erfuhr ich Ablenkung. Ich war am Ziel und musste aussteigen.

Am Bahnsteig wurde ich bereits erwartet. Ich hatte Mühe meinen Koffer, Laptop und Handtasche zu jonglieren, da meine linke Hand ausgestiegen war. Der Kollege schaute mich grinsend an und fragte: „Geht’s?“ Unwillkürlich liefen mir die Tränen über die Wangen und ich blieb schlagartig stehen. Mein Herz raste und ich schaute in sein grinsendes Gesicht. Was mache ich eigentlich hier? Ich nahm all meinen Mut zusammen und stellte mein Gepäck vor seine Füße. „Ich fahre wieder zurück. Sie übernehmen heute.“ Er schluckte: „Das kann ich nicht.“ Doch ich kramte schon in meiner Handtasche, auf der Suche nach den Stick, auf den ich die Präsentation gespeichert hatte. „Bitte, hier ist alles drauf, was Sie brauchen. Rufen Sie mich gern an. Ich helfe Ihnen. Viel Erfolg.“ Dann sammelte ich meine sieben Sachen zusammen, drehte mich um und bestieg wieder den Zug. Im Zugrestaurant bestellte ich einen Rotwein, trank ihn in einem Zug aus und zum ersten Mal gestand ich mir ein:

Ich bin ausgebrannt!

Ausgebrannt  oder  „Wo ist denn jetzt das Feuer hin?“

Ausgebranntsein ist oft ein Zustand von“ Vollsein“ (Es geht nichts mehr rein!) und „Leersein“ gleichzeitig.

Das „Vollsein“ ist so groß und vor allem so mächtig, dass wir oft nicht in der Lage sind, unsere Situation, Gefühle oder unseren Zustand zu beschreiben.

Was meistens mit ständigem Ärger oder der Frustration über den Chef, den Kollegen, dem System etc. beginnt, nimmt seinen Weg über einen schleichenden Prozess, bis hin zu einer inneren Lähmung. Dieser Zustand entsteht nicht selten über Jahre.

Spricht uns jemand auf unsere Erschöpfung an, so streiten wir es anfangs vielleicht noch ab oder banalisieren unsere Situation („Irgendwas ist ja immer!“).

Psychische und physische Warnsignale hören wir nicht und schließen uns nach und nach emotional so ein, dass außer stillen Tränen nichts mehr bleibt. Worte und Wut sind schon lange versiegt. Denn selbst dafür ist keine Kraft mehr vorhanden. Damit beginnt das Wechselspiel zum „Leersein“.

Das „Leersein“ ähnelt einem Zustand zwischen Mutlosigkeit, Resignation und Einsamkeit. Letzteres ist ein Resultat unseres Rückzugs, da selbst zwangslose Treffen mit Freunden oder nur das Einkaufen von Lebensmitteln zu viel Kraft erfordern. Oft wollen wir, mit unserem Riesenpaket auf den Schultern, uns anderen nicht mehr zumuten. Denn dann wären wir gezwungen, selbst hin zu schauen.

Wenn Mental, also im Geist, nichts mehr geht, wenn jeder Gedanke sich wie Überforderung anfühlt, lässt der Körper mit entsprechenden Symptomen nicht lange auf sich warten. Warum? Weil die Seele zum Körper sagt: “Hey, sag Du es ihr mal, auf mich hört sie nicht mehr!“

Wenn wir also nicht mehr in der Lage sind unserer Tun und Handeln, unseren Job oder unser Umfeld mit positiven Gedanken zu beeinflussen, wenn wir vor allen Dingen nicht mal uns selbst im positiven Licht sehen können, dann fehlt irgendwann die nötige (Lebens-) Energie. Wir erfüllen nur noch unsere Pflicht!

Soweit der Zustand. Aber wie heißt die Falle, die uns in diesen Strudel hinabzieht?

Sie heißt: „Ich mache mir was vor“ bzw. welche Dynamik, welches unbewusste Muster bringt mich in solch eine dramatische Situation?

Der Geist, unsere Gedanken sind wie Elektrizität. KEIN STROM, KEIN LICHT bzw. FEUER!

Jetzt geht es darum, die Leitungen neu zu verlegen. Vorher brauchen wir den Schalter gar nicht betätigen. Wir sind alle unsere eigenen Elektriker und hier bekommt Ihr nach und nach das Werkzeug, um Euren neuen, gesunden Weg zu gehen.

Bis ganz bald,

Eure Anni

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